PHILOSOPHIE

MENSCHEN AUF DER HELDENREISE

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Die Epoche

Wir wissen nicht, wie die Menschen vor 4’000 Jahren gedacht, gefühlt und gesprochen haben. Wir haben aber Kenntnis von Völkern, die bis vor wenigen Jahrhunderten noch in einer Steinzeitkultur lebten, Indigene Völker etwa, die Inuit oder die Aborigines. Auch hat man die berühmte Gletschermumie vom Ötztal eingehend untersucht und erforscht und die Erkenntnisse zeichnen ein recht genaues Bild, wie unsere Vorfahren vor etwas über vier Jahrtausenden in der Jungsteinzeit gelebt haben. 

Die ethnologischen Erkenntnisse mögen zumindest hilfreich sein, jene Zeit und jene Welt zu rekonstruieren, in der die Geschichte noch keinen Namen hatte. In erster Linie ist Sinn und Zweck dieses Films aber nicht das Vermitteln von Ethnologie und historisch bewiesener Authentizität, sondern das Erzählen einer Geschichte, die Spannung erzeugt und das Publikum unterhält. Dennoch halte ich mich an die verfügbaren Fakten, denn eine möglichst grosse Authentizität in Sachen Ausstattung und Bauten verhilft dem Film zweifellos zu einem glaubhaften Setting.  

Plot und Inszenierung widerspiegeln das archetypisch Urtümliche und entwerfen eine Welt, wie sie in einer Vorzeit gewesen sein könnte. Sie impliziert als prähistorischer Film aber auch das dystopische Element, wie in diversen Science Fictions und namentlich in George Millers «Mad Max»-Filmreihe, in der die Menschheit nach einer nuklearen Katastrophe in einer nahen Zukunft wieder an den Anfang und gewissermassen sogar in eine prähistorische Vorzeit geworfen wird. Es ist ein Teil des Reizes der für dieses Projekt gewählten Epoche: Eine zeitlose Archaik, die sowohl History- als auch Dystopie-Fans abzuholen und zu faszinieren vermag. 

Namen besitzen die Protagonisten nicht; ihre Identität erhalten sie von den urtümlichen Charakteranlagen und ihr Wesen definiert ihre Handlungsweise. Es sind letztlich deren Eigenschaften, die sie und ihr Wesen charakterisieren und ihren Weg bestimmen. Damit rückt die Story noch näher an eine urige Saga aus einer Zeit, in der die Geschichte noch keinen Namen hat. Und genau das gibt dem Streifen das Zeitlose, das ihn auch für unsere heutige Zeit mit ihren zunehmen wahnhafteren Auswüchsen gültig werden lässt. 

Der Krieger

«Der Krieger» ist ein Mann mittleren Alters und einer, der bereits vieles gesehen und erlebt hat. Und er ist jemand, der bereits gekämpft hat und, wie man zu Beginn sieht und im Film später erfährt, im Zweikampf gegen den mächtigsten Krieger des Berglands den während Jahren währenden Bergkrieg zugunsten seines Stamms entschieden hat. 

«Der Krieger» verkörpert am ehesten die in der Romantik aufkommende Vorstellung des «edlen Wilden», doch sieht man gleich zu Beginn des Films, dass auch dieser Krieger nicht unseren postaufklärerischen Vorstellungen entspricht: Der Kampf ist weder Sport noch Turnier, sondern ein Akt des Überlebens, dem alle Regeln untergeordnet sind. In seiner diesbezüglichen Entschlossenheit erinnert er an den «Mariner» in Kevin Reynolds «Waterworld» (1995) oder an den bereits mehrfach erwähnten ‘Max Rockatansky’ in George Millers «Mad Max»-Reihe, noch mehr aber vielleicht an den Namenlosen in der australischen Endzeit-Dystopie von David Michôd, «The Rover» (2014); der Held des Films ist ein moderner Krieger, der nicht zaudert und zögert und in seiner Kompromisslosigkeit zu keinem Zeitpunkt mit sich feilschen lässt, und gerade dieser «Rover» verkörpert viel von dem, was in meiner Vorstellung einen neolithischen oder frühbronzezeitlichen Krieger ausmacht. Am Ende seines Weges verwirklicht der Krieger seinen Plan mit minutiöser Kaltblütigkeit, wobei ihm die Züge eines ‘Chato’ zu eigen werden, wie wir sie in Michael Winners Rächerdrama «Chatos Land» (1972) erleben. 

Dass der «Krieger» meines Film-Projekts so viele cineastische Figuren in sich zu vereinen scheint, weist nicht etwa darauf hin, dass es sich bei dieser Figur um ein Sammeltopf von cineastischen Versatzstücken handelt; vielmehr bediente sich jede der eben erwähnten Filmfiguren ihrerseits natürlich in vielfältiger Weise bei Vorbildern und Vorlagen. Und dies zeigt einmal mehr, wie sehr es sich beim «Krieger» um eine sehr archetypische Figur handelt, denn letztlich sind alle diese Krieger in ihrer Erscheinung und in ihrer Kultur zwar verschieden, aber letztlich meinen sie doch ein und dieselbe Ur-Figur – jenen Helden, der seit jeher durch die Sagas und Geschichten der Menschen zieht.  

Alles, was wir zu Beginn meines Films vom «Krieger» wissen, ist der Umstand, dass er meisterhaft die Kunst des Bogenschiessens beherrscht, dass er der Protegé eines offenbar mächtigen Schamanen ist und dass dieser ihn Weisheiten gelehrt und ihn (zumindest ansatzweise) in die Geheimnisse der schamanischen Spiritualität eingeweiht hat. Der Krieger geht unbeirrt seinen Weg des Kriegers, auch, weil ihm gar nichts anderes übrig bleibt, will er nicht vor dem Schicksal kapitulieren und sich scheinbar unverrückbaren Tatsachen unterwerfen. Der Krieger stellt sich seiner Aufgabe, aber er lässt sich zwischenzeitlich auch von dieser abbringen. Mit all diesen Ingredienzen – ein zyklopischer Riese etwa, eine neolithische Calypso oder des Kriegers Gang in den Hades –   wird diese «Heldenreise» zur urhistorischen Odyssee und deren Held erhält, wie bereits angemerkt, sehr bewusst das Gepräge einer prähistorischen Version eines Odysseus; und wie der listenreiche griechische Recke weicht er dem Kampf nicht aus, aber er nutzt jede Gelegenheit, die Umstände zu seinen Gunsten zu gestalten. 

Eines nur unterscheidet den neolithischen Krieger vom griechischen Helden: Während Odysseus auf einer langen Irrfahrt auf dem Weg nach Hause ist, hat der Krieger kein Zuhause mehr, in das er zurückkehren kann. Er ist gezwungen, einen eigenen, einen neuen Weg zu finden, um sich irgendwo eine neue Welt aufzubauen.

Der Schamane

Der Schamane ist eine vielschichtige und geheimnisvolle Figur und ausgerechnet er ist das erste sichtbare Opfer des sich ankündigenden Umbruchs. Auch er gehört als Figur zu den Archetypen im Reich der Geschichten: Der Magier gehört zum Ensemble der grundlegenden Charaktere und nicht nur Homer (‘Kalchas’), die Artus-Sage (‘Merlin’) oder J. R. R. Tolkien (‘Gandalf’) haben diesem Archetypus ein Denkmal gesetzt, denn letztlich wohnen auch den Helden des Alten Testaments die Eigenschaften des Zauberers inne; kaum ein Magier hat es in irgendeiner der weltweit kursierenden Geschichten drauf, sogar das Wasser eines Meeres zu teilen.

Die Schamanen und/oder Schamaninnen der Steinzeit und heute noch in Sibirien, Kanada und Grönland sind die Mittler zwischen der realen und der spirituellen Welt, aber auch die Mittler zwischen Menschen und Tieren, wobei der Mensch des Neolithikums und der frühen Bronzezeit wahrscheinlich keine so klare Trennung zwischen Mensch und Tier vornahm wie sich das in den letzten vielleicht 3’000 Jahren eingebürgert hat. Die schamanisch wirkende Person steht im Dialog mit den Tieren, wobei er sich meist ein Krafttier aussucht, das ihr kraftspendend und helfend zur Seite steht.  

Inzwischen existieren viele wissenschaftliche Forschungsarbeiten über den Schamanismus und zahlreiche Phänomene (insbesondere Heilungen von Krankheiten) sind heute zwar in ihrem Prinzip nicht erklärt, aber belegt. Auch ich hatte die Ehre einer Freundschaft zu einem Schamanen: Johnny Russell – er verstarb 2003 leider mit erst 58 Jahren war nicht nur Chief der Northern Cheyenne Nation im US-Bundesstaat Montana, sondern ein «Ceremony Man», was im indigenen Verständnis noch eine Stufe über dem «Medicine Man» steht. Johnny war auch ein hervorragender «Horse Whisperer» und machte als Tierheiler von sich reden – so sehr, dass die französische Olympiamannschaft im Pferdesport den «Ceremony Man» für das Wohl ihrer Pferde anheuerte, eine Angelegenheit allerdings, die streng geheim bleiben musste; die Pferdesportler fürchteten nämlich, wegen Hokuspokus in Verruf zu geraten. Das hinderte die Sportler der Grande Nation allerdings nicht daran, Johnny immerhin fünfmal aus den USA einfliegen zu lassen. Kurz vor seinem Tod heilte mich Johnny von ständigen Migräne-Attacken; er tat dies mittels eines kleinen Lederbandes mit einer Verknotung, das ich um den Hals tragen solle; das würde helfen, denn im Innern der Verknotung befinde sich rote Farbe – «a very powerful color», wie mir Johnny versicherte. Die Migränenschübe stoppten augenblicklich und kamen bis zum heutigen Tag nie mehr zurück.    

Der Schamane in meinem Film tritt physisch und real nur am Anfang auf, aber er bleibt als einstiger Lehrmeister des Helden als eine Art Reflexions- und Identifikationsfigur präsent, weshalb der Krieger während seiner gefahrvollen Reise immer wieder im Zwiegespräch mit seinem einstigen Förderer zu stehen scheint (wobei wir beim Ansehen des Filmes nicht wissen, ob diese Begegnungen real sind oder im Kopf des Kriegers stattfinden). Eine besondere Bedeutung erhalten die zu Beginn des Films losgeschickten, mystisch verbrämten roten Pfeile. Sie schliessen am Ende des Films die Geschichte und mit einer in einer neolithisch gedachten spirituellen Stringenz letztlich auch den Kreis. 

Der Jäger

Die im Drehbuch als «Jäger» auftauchende Figur ist der zweite Charakter, der dem Massaker am Volk des Kriegers entkommen ist. Er stellt die klassische Antithese zum «Krieger» dar: Er zögert und er fürchtet sich – so sehr, dass er handlungsunfähig bleibt. Doch nicht einmal in dieser passiven Haltung ist diese Figur konstant; allein fühlt er sich zu schwach und versucht, den Krieger zu finden – eine fatale Entscheidung, die ihn schon bald ins Verhängnis stürzt.

Das Mädchen

Wie es zu einem Roadmovie gehört, trifft die Hauptfigur auf ihrer Heldenreise auf andere Charaktere. Menschen gibt es allerdings wenige im vorgeschichtlichen Bergland, weshalb ein Zusammentreffen von Individuen etwas Besonderes ist. 

Das Mädchen, auf das der Krieger trifft, ist eine gestrandete junge Frau, eigentlich eine Teenagerin noch, die in den Wirren eines Umbruchs ziellos im Bergland umherzuirren scheint. Auch sie ist auf sich gestellt, denn offenbar gibt es auch ihren Stamm und ihre Familie nicht mehr und ihrem herrschsüchtigen Onkel läuft sie gleich zu Beginn ihres Auftretens davon. 

Das Mädchen ist eine junge, weibliche Ausgabe des archetypischen Kriegers, allerdings weniger mit einer erfahrene Schildmaid, sondern vielmehr mit dem jungen ungestümen und unerfahrenen «Parzival» zu vergleichen, der als Naturbursche zwar naiv und ungebildet und letztlich sogar reinen Herzens ist, so sehr, dass es ihm schliesslich gelingt, den mystischen Heiligen Gral – «der grâl der so swêre wigt», wie es der Dichter Wolfram von Eschenbach im 12. Jahrhundert niederschrieb. 

Das Mädchen ist eine selbstsichere Teenagerin oder sehr junge Frau, gesegnet oder geschlagen mit der «Arroganz der Jugend»; eine sympathische, aber vorlaute Göre, die den Kampf nicht fürchtet. Sie begegnet dem Krieger am Anfang seiner Reise und es wird eine Begegnung, die trotz ihrer Flüchtigkeit etwas Tiefes hat, auch, weil das Mädchen im Krieger eine Art Vaterfigur spürt, der Krieger im umgekehrten Sinn väterliche Gefühle für dieses unbedarfte Geschöpf zu empfinden scheint. Doch die Umstände verhindern, dass ich etwas Tieferes entwickeln kann, und der Krieger verliert die junge Frau aus den Augen. Erst am Ende der Reise begegnen sie sich wieder und es ist in der Gestalt des Mädchens die «junge Generation», die der «älteren Generation» zu Hilfe eilt, was diese der Jungen am Ende mit dem Geheimnis einer umfassenden Weisheit vergelten wird. 

Der Onkel

Auch der Fremde ist eine der gestrandeten Figuren in dieser Umbruchszeit und die Zuschauerin, der Zuschauer kombiniert sofort, dass dieser Charakter wohl jener Onkel ist, dem das Mädchen in der Szene ihres ersten gemeinsamen Auftretens davongelaufen ist. 

Auch der «Onkel» ist in seiner Art eine Antithese zum Krieger: sein Opportunismus unterscheidet sich drastisch von jener Haltung, die letztlich den Krieger ausmacht. Zwar sind auch dem Krieger alle Mittel recht, wenn es ums Siegen und erst recht um ein Überleben geht; der Krieger aber kämpft frontal und ohne Deckung, während der «Onkel» offensichtlich lieber im Finsteren wirkt. Ein Zögerer indessen ist er nicht; als er glaubt, ein Angebot zu erhalten, durch das Opfern seiner selbst übermenschliche Kraft zu erwerben, zögert er keinen Augenblick.

Der Onkel ist zwar nicht der Bösewicht des Films, aber zweifellos der Kotzbrocken, dessen unsympathisches und anmassendes Wesen nicht nur Kontrastpunkte bildet (es gab auch vor 4’300 Jahren Angeber und unsympathische Zeitgenossen), sondern im Plot auch einen Unterhaltungswert besitzt.   

Die Frau

Der antike Held Odysseus wird an die Ufer einer Insel gespült, auf der die unsterbliche Nymphe Calypso wohnt. Die Parallelen sind gewollt: Der schwer verletzte Krieger wird von einer alleinlebenden Frau gefunden und in ihrer Hütte gesundgepflegt. Wer oder was sie genau ist, wird man nicht erfahren; sie scheint Zauberkräfte zu besitzen; das zumindest glauben die in der Umgebung wohnenden «Seekinder», die der Frau als «Herrin vom See» Verehrung zollen.

Ihr erstes Auftreten macht auch anhand ihrer Kleidung und Ausstattung klar, dass wir es hier mit einer Art Schamanin zu tun haben. Ihr Auftreten ist einerseits geheimnisvoll, andererseits herrisch und machtbeflissen. Erst in der eigenen Hütte legt sie diese Schutzschichten ab und zeigt dem Krieger auch ihre verletzliche Seite.

  

Die Frau erweist sich am Ende nicht nur als Gönnerin, sondern auch als Versucherin; sie macht den Krieger scheinbar hörig, sodass dieser beinahe seine Bestimmung vergisst und seine Heldenreise vorzeitig beenden will. Allein, das Schicksal und die Ereignisse wollen es anders und die Frau muss – so wie die Nymphe einst den König von Ithaka – den Krieger ziehen lassen.

Der Feind

Vorbild für die einfallenden fremden Reiter sind die bereits zu Beginn erwähnten archäologischen Hinweise auf einfallende Reiterhorden, die in einem äusserst aggressiven Auf-treten die damalige Welt förmlich umgepflügt und auf Jahrhunderte eine kriegerische und blutrünstige Welt hinterlassen haben.  Heute wissen wir in etwa, wann die ersten Menschen auf Pferderücken nach Mitteleuropa kamen. Es handelt sich um Vertreter der «Kurgan»-Kultur. Das war am Ende der Epoche der sogenannten Schnurkeramik, etwa um 2’500 bis 2’300 vor Christus. Es war dies das Ende einer längeren Friedensperiode. Es handelte sich um die dritte Welle einer Migrationsbewegung aus dem Osten, die um 4’400 vor Christus ihren Anfang nahm. Wie die Begegnungen ausfielen, wissen wir nicht im Detail, auch nicht, ob es sich mehrheitlich um einen friedlichen Austausch oder um einen «Clash Of The Civilizations» gehandelt hat. Um 2’500 vor Christus häufen sich in Mitteleuropa aber die Hinweise auf kriegerische Handlungen, die belegen, dass die Begegnung der Ansässigen mit den Eindringenden wohl eher nicht friedvoller Natur war. Es gibt aus dieser Zeit zahlreiche Massengräber mit Menschen, die offenbar gewaltsam ums Leben kamen. Es war dies wohl der Beginn einer Zeit voller Krieg und Chaos. Die sogenannte «Jamnaja»-Kultur aus dem Gebiet der heutigen Ukraine brachte aber, wie wir heute wissen, auch eine ganz andere Art von Verderben: Untersuchungen an menschlichen Knochen zeigen uns, dass diese «Jamnaja»-Menschen aus den südrussischen Steppen erstmals den «Schwarzen Tod», die Pest, nach Mitteleuropa gebracht haben.

In der alten und mittleren Steinzeit gehörte das Wildpferd zweifelsohne zur bevorzugten Nahrungsquelle der Menschen, weshalb die Höhlenmalereien immer wieder Bilder von Wildpferden zeigen. Die Menschen der Jungsteinzeit wussten deshalb bestenfalls durch diese Felsgrafits von der einstigen Existent dieser Tiere. Als nämlich um 12’000 v. Chr. die Eispanzer der Eiszeit zu schmelzen begannen, verschwanden mit den Jahrtausenden zunehmend die Steppen und der Wald übernahm die Herrschaft über das Land. Das Pferd, seinem natürlichen Ressort entzogen, verschwand allmählich und wäre zumindest in Eurasien vor 10’000 Jahren beinahe ausgestorben. Es war das Volk der «Botay», die nach gegenwärtiger Auffassung der Wissenschaft im Gebiet des heutigen Kasachstan das erste Mal Pferde domestizierte und es gibt Theorien, die besagen, dass wir es den Botay zu verdanken hätten, dass das Pferd letztlich nicht ausgestorben ist. 

Das Volk der Botay birgt Rätsel, denn eigentlich wäre ihnen mit diesen schnellen Reittieren die Welt offen gestanden, denn die Pferde hätten sie überallhin getragen. Aber aus unerfindlichen Gründen verschwinden die Botay gänzlich aus der Geschichte und es dauerte fast zweitausend Jahre, bis die Jamnaja das taten, was den Botay nicht gelang: Die Welt zu erobern. Wir wissen aber letztlich nicht, ob die Jamnaja vor allem gewalttätige und grausame Invasoren waren oder ob es unter dem Sammelbegriff «Jamnaia» verschiede Gruppen gab und damit auch solche, die friedfertig aus dem südrussischen Raum nach China, Indien und Europa emigrierten. Was wir aber wissen, ist, dass der Einfluss dieser Kultur historisch prägend war und ihr Erscheinen den Lauf der Geschichte verändert hat. Einige der in der Geschichtsforschung tätige Genetiker behaupten sogar, dass es die Jamnaia waren, die durch Vermischung mit der hier bislang eher dunkelhäutigen Bevölkerung für die zunehmend hellere Hautfarbe der nordischen Europäer verantwortlich waren.   

Wir wissen nichts darüber, wie diese Reiter aussahen, welche Kleider und welche Waffen sie trugen und es bleibt mir als Filmemacher, der in erster Linie nicht dem Geschichtsunterricht, sondern der Unterhaltung im Sinne des Storytellings verpflichtet ist, diese fremden Krieger auszugestalten, denn wie alle Protagonisten in einem Film (und/oder in einer Geschichte) erfüllen auch sie eine Rolle in der Konzeption und im Gesamtkontext dieser Saga. Die Reiter im Film erscheinen und wirken stets als Gruppe und letztlich als Matrix; es scheint in der Horde keine Individuen zu geben und durch die ständig getragenen, maskenartigen und gehörnten Kopfputze bekommen die Reiter etwas ebenso Brachiales wie Seelenloses. Es wohnt ihnen dadurch vielleicht auch etwas inne, das im weitesten Sinn roboterartig wirken mag – Kampfmaschinen, die im übertragenen Sinn an prähistorische «Cylonen» in «Battlestar Galactica» oder an die namen- und gesichtslosen Soldaten des Imperiums in «Star Wars» erinnern. 

Zwar wohnt den Reitern im Auftreten nichts Mongolisches inne, aber dennoch korrespondieren sie unterschwellig mit den am Ende der im 5. Jahrhundert wie Berserker wütenden Reiterhorden, die im Verbund Attilas Hunnen-Heer und knapp 800 Jahre später die Armee des Dschingis Khans bildeten. Die Gefahr dieser Krieger geht einerseits von ihrem geeinten Auftreten und von ihrer Masse aus, die durch die kriegerische Wucht ihrer schnellen Reittiere noch verstärkt wird, andererseits aber auch von einer erbarmungslosen Grausamkeit, die an einen Trupp wildgewordener SS-Schergen erinnert: Gefangene werden keine gemacht und das Töten scheint diesen maskierten Kriegern in der DNA zu liegen. Dass ihrer optischen Gleichgestaltung etwas Faschistoides innewohnt, ist durchaus beabsichtigt.

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